Paris, 11. Juni 2009 /hn. Die Steuerzahler der EU bezahlen nicht nur die Rechnungen für die Verluste der meisten europäischen Banken, die Misswirtschaft von GM bei Opel und für milliardenschwere Konjunkturprogramme zur Ankurbelung der Wirtschaft, sie subventionieren auch mit Millionenbeträgen aus dem EU-Agrarhaushalt seit Jahren die Exporte hochprofitabler Großkonzerne. Nur wurde ihnen das bisher vverschwiegen.
Was man immer schon wusste, ist nun offiziell bestätigt, zahlreiche Großunternehmen in Deutschland erhalten millionenschwere Exporthilfen der Europäischen Union. Diese Zahlungen hat die deutsche Regierung aber jahrelang ihrem Wahlvolk verheimlicht und niemals publik gemacht. Nach Beschluss des Europäischen Rats müssen aber nun erstmals die EU-Direktzahlungen und Marktbeihilfen nun auch in Deutschland veröffentlicht werden.
Das Versteckspiel ist nun aus, und die vielen Klagen deutscher Bauern vor Gerichten gegen die Veröffentlichung blieben letztlich ohne Erfolg. Im Juni d.J. noch sollen die Namen der Firmen im Internet veröffentlicht werden.
Hier vorab die Liste der grössten Profiteure von EU- Geldern, deren Lobbyisten am erfolgreichsten gearbeitet haben (QUELLE: Greenpeace/ Liste des Hauptzollamtes Hamburg):
Der Zuckerproduzent Südzucker erhielt 2004/05 knapp 82 Mio. Euro an EU-Subventionen. Hinter Südzucker folgen laut der Liste das Agrarhandelsunternehmen August Töpfer, das Trockenfrüchte und Fruchtzucker vertreibt (60,8 Mio. Euro), und die zu Nordzucker gehörende Danisco Sugar (24,6 Mio. Euro). Die Molkerei Nordmilch steht mit 22,4 Mio. Euro auf dem vierten Platz. Zu der Liste von Empfängern gehören auch der Süßwarenhersteller Storck und der Schokoladenproduzent Ritter, aber auch Unternehmen aus Dänemark, Frankreich oder den Niederlanden. Wie die Frankfurter Rundschau berichtete, werden mit rund 85 Millionen Euro mehr als die Hälfte der Exportsubventionen im Rindfleischsektor an die zehn größten Rindfleisch-Exporteure gezahlt. Zu den Empfängern gehören Unternehmen wie die Bonn Fleisch Ex- und Import GmbH, Südfleisch, Westfleisch und der deutsche Ableger von Danish Crown.
Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) kritisierte die Exportgelder am Mittwoch als "völlig falsches Signal": "Exportsubventionen zerstören die Märkte in den Entwicklungsländern und gefährden damit die Existenz vieler Kleinbauern", sagte Wieczorek-Zeul der Zeitung "Taz". Die heimische Landwirtschaft habe von den Subventionen nichts.
Ihre Kabinettskollegin Aigner verteidigte die Hilfen an die Wirtschaft. "Wir meinen, dass wir den Wettbewerbsnachteil europäischer Landwirte gegenüber Drittländern ausgleichen müssen, die geringere Umwelt- und Tierschutzstandards haben", sagte sie der "Taz".
Der Agraretat ist der größte Posten im EU-Haushalt und hat ein Volumen von rund 55 Milliarden Euro im Jahr. Davon fließen 37 Milliarden als direkte Subventionen an einzelne Empfänger, der Rest in "allgemeine Projekte" der ländlichen Entwicklung. Der überwiegende Teil der Gelder ist nicht an wirksame soziale und ökologische Kriterien gekoppelt. Die deutschen Landwirte erhalten 5,4 Milliarden Euro EU-Subventionen pro Jahr. Unter den Empfängern sind aber nicht nur klassische Bauernhöfe, sondern auch andere Landbesitzer, von Konzernen bis hin zu Reit- und Golfclubs.
Diese Verteilung der Gelder bringt mehr Verlierer als Gewinner mit sich. Verlierer sind kleinere Betriebe, die ums Überleben kämpfen, die Umwelt, die unter den Folgen der Intensivlandwirtschaft leidet und die Kleinbauern in den sogenannten Entwicklungsländern, die mit den billigen, subventionierten Lebensmitteln aus der EU nicht konkurrieren können.
Die Bundesregierung hatte bisher nur die Empfänger der Gelder aus dem Topf für "allgemeine Entwicklung" veröffentlicht.
Im Rahmen der Europäischen Transparenzinitiative sind alle EU-Mitgliedstaaten seit 2008 dazu verpflichtet, die Empfänger der Strukturfonds und ab dem 01.01.2009 auch die Empfänger der Gemeinsamen Agrarpolitik offen zu legen. Am 30.04.2009 ist die reguläre Frist für die Offenlegung der Daten verstrichen.
Deutschland hatte die Angaben als einziges EU-Land nicht fristgerecht bis 30. April veröffentlicht. Obwohl sie die verpflichtende Veröffentlichung im letzten Jahr im Ministerrat mitgetragen hatte, wurde bis zuletzt alles unternommen, die Bekanntmachung dieser für sie heiklen Daten zu veröffentlichen. Schliesslich ist Wahlkampf und man will vor dem Wahlvolk nicht noch mehr Steuermillionen eingestehen, die Lobbyisten hochprofitabler Grosskonzerne den Europäischen Regierungen seit Jahren immer wieder abschwatzen.
Erst nachdem die EU-Kommission angekündigt hatte, ein Verfahren gegen die Bundesregierung wegen des Bruchs von EU-Recht zu eröffnen, weil sie die Empfängerlisten nicht veröffentlicht wurden, sah die Bundesregierung nun keinen anderen Ausweg, als letzter EU-Staat, der Veröffentlichung im Juni d.J. zuzustimmen.
In Schleswig Holstein und Hessen hatten die Verwaltungsgerichte den Landesregierungen jedoch die Veröffentlichung der Daten untersagt. Alle anderen Bundesländer und die Bundesregierung müssen die Agrarsubventionen aber nun veröffentlichen. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat in einem Eilverfahren am 24.04.2009 entschieden, dass die Veröffentlichung zulässig sei; in Greifswald erließ das Oberverwaltungsgericht am 04.05.2009 einen gegensätzlichen Beschluss. Weitere Entscheidungen stehen noch aus. Die EU-Kommission werde die Veröffentlichung der Daten in Deutschland überprüfen und hoffe, dass rechtliche Bedenken "so schnell wie möglich" beseitigt werden.
„Transparenz ist ein Grundpfeiler einer funktionierenden Demokratie, denn sie erlaubt die Nachvollziehbarkeit staatlichen Handelns. Vor allem die Verteilung öffentlicher Gelder erfordert ein hohes Maß an Transparenz, um mehr Vertrauen in solchen oft umstrittenen Politikfeldern zu schaffen."